Tabuthema: meine Fehlgeburt

Es sprechen wenige, zu wenige über Ihre Erfahrungen mit einer Fehlgeburt – dabei passiert dies viel öfter, als man denkt. Der Verlust eines Babys ist noch immer ein Tabuthema. Doch das sollte es nicht sein. Es hilft betroffen so sehr, zu wissen, dass sie mit dieser schrecklichen Erfahrung nicht alleine sind, dass es nicht an ihnen liegt und sich die Schuld dafür geben müssen. Statistiken zeigen, dass fast jede dritte Frau einmal in ihrem Leben diese schreckliche Erfahrung macht – warum also tabuisieren? Warum nicht besser darüber reden, sich austauschen und sich gegenseitig helfen und unterstützen?

Der Tod eines Babys ist ein Tabuthema – aber die Trauer muss nicht nur gelebt, sondern auch verarbeitet werden, denn nur so kann man lernen, irgendwann damit umzugehen. Und dafür ist es nötig, dass man reden kann und darf.

Meine Fehlgeburt war im 3. Monat – ich dachte ich hätte die kritische Phase bald überwunden, die Ängste und Sorgen seien bald vergessen und bald könnten wir es unseren Freunden und Familien erzählen und ihnen diese frohe Botschaft überbringen.

Unsere Eltern und Geschwister wussten bereits, dass wir ein Baby erwarteten, denn wir wollten das Glück, unser Glück zumindest mit unseren Engsten und Vertrautesten teilen – war das im Nachhinein vielleicht ein Fehler? Andererseits waren sie nun da für uns, konnten uns auffangen und Trost zusprechen. Ich weiss nicht was das Beste in diesem Fall ist und denke, dass dies jeder für sich selbst entscheiden muss.

In meiner Schwangerschaft lief alles bestens, ich hatte keine großartigen Beschwerden, der erste Ultraschall war erfolgreich und unser Baby hatte einen Herzschlag. Dies war das Schönste, was ich je gesehen hatte – ich war so glücklich und überwältigt, da war wirklich ein kleines Wesen in mir. Ein Wesen, was ich mir schon so lange gewünscht hatte und ich nun gut drauf aufpassen musste. Ich wollte alles richtig machen, habe mich darüber informiert, was ich essen durfte und was nicht mehr, habe auf meinen morgendlichen Kaffee verzichtet, auch wenn dass laut meiner Gynäkologin überhaupt nicht notwendig gewesen wäre, habe auf Naturkosmetik umgestellt und Schwangerschaftsvitamine eingenommen. Ich war sogar so vorsichtig, dass ich meine regelmäßigen Sporteinheiten im Fitnessstudio sausen lies und nur noch Schwangerschaftsübungen auf Youtube durchführte.

Ich wollte ALLES richtig machen.

Und dann kam der Tag, den ich niemals mehr in meinem Leben vergessen werde. Es war Sonntag. Wir waren gerade auf dem Weg ins Bett, als ich nochmal zur Toilette musste und Blut in meiner Hose sah. Ich wurde panisch. Mein Freund versuchte mich zu beruhigen und googelte: es kann teilweise normal sein, Schmierblutungen während der Schwangerschaft zu bekommen. Doch ich wusste es, tief in mir wusste ich, dass was nicht stimmte. Also fuhren wir in die gynäkologische Ambulanz. Dort angekommen sollte ich direkt Urin abgeben und als ich das tat wusste ich, dass unser Baby nicht mehr da war. Mittlerweile war es nicht mehr nur blutig, mittlerweile waren richtige Gewebestücke dabei. Einige Minuten später saß ich auf dem Stuhl zur Kontrolle bei der diensthabenden Ärztin. Sie machte einen Ultraschall und das Baby lag ruhig und ohne jeglichen Herzschlag in meinem Uterus. Ohne auch nur etwas zu sagen, wussten ich und mein Freund bescheid und fielen uns direkt den Tränen nahe in die Arme – das war es also, alles so schnell vorbei, wie es anfing. Einfach so. Ohne Vorwarnung. Laut Ärztin war das Baby wohl bereits 2 Wochen tot. Tot in mir ohne das ich es gespürt habe. Dieser Gedanke machte mich damals, sowie heute noch immer fertig. Warum merkt eine Mutter nicht, dass ihr Baby nicht mehr lebt? Lange habe ich mir Vorwürfe gemacht, auch wenn mir jeder sagte, dass es nicht an mir gelegen hat.

Und wie ging es weiter? Direkt und nüchtern ohne jegliche Emotion riet mir die Ärztin doch bitte alsbald zu einer Ausschabung in der Klinik vorstellig zu werden, als ob es das normalste der Welt wäre, mal eben so ein Baby zu verlieren. Auch diese Erfahrung werde ich nicht vergessen. Man wird so allein gelassen. Back to Business. Kein „es tut mir sehr leid“, kein aufbauendes „leider passiert das in Ihrem Stadium öfter“ , kein “ es liegt nicht an Ihnen“. Dies sind Dinge die einen zu dieser schlimmen Erfahrung zusätzlich schwer belasten. Man ist nur eine Nummer. Kein Mensch mit Gefühlen. Auch die weiteren Erfahrungen in der Klinik, haben dieses Bild leider weiter aufrechterhalten. Keine Einfühlsamkeit, kein Verständnis. Ich finde hier muss sich dringend was ändern – Ärzte, auch wenn sie fachlich TOP sind, dürfen den Menschen hinter so einem Schicksalsschlag niemals vergessen. Dies war eine zusätzliche Negativerfahrung die ich niemanden auch nur wünschen kann.

Und nun, Monate später?!

Es hat sehr lange gedauert,nein des dauert noch immer über diese Erfahrung hinwegzukommen und soviel wie in der Woche nach dieser schrecklichen und niederschmetternden Diagnose und dem drauf folgenden Eingriff  habe ich noch nie in meinem ganzen Leben am Stück geweint. Gleichzeitig fühlte ich mich einfach nur leer und war wie sediert, auch heute bekomme ich Tränen in den Augen, wenn ich an diesen Schicksalsschlag zurückdenke. Es ist und bleibt eine Wunde, die niemals verheilen wird. Ich bin ein anderer Mensch seit dieser Erfahrung, ich denke tatsächlich, dass ich nun viel mehr Wertschätze und mich an kleinen Dingen erfreuen kann, wenn mich die Trauer nicht wieder übermannt. Und ich weiss nun auch, ein Baby ist nicht selbstverständlich. Ein gesundes Baby zu bekommen ist großes Glück – auch wenn das viele Leute leider gar nicht sehen. Man sollte es jeden Tag wertschätzen, dass man einen kleinen Menschen bei sich hat, egal ob er schreit oder die Windeln voll hat. Embrace it.

 

 

 

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